Sanierungsstrategie: Mehrfamilienhäuser in Sekundärlagen

Immobilienbesitzer und Investoren stehen heute vor einer komplexen Entscheidung: kaufen, verkaufen oder abwarten. Zinssätze, Mietrenditen und Urbanisierungsdynamik verschieben die Balance zwischen Risiko und Ertrag. Dieses Stück analysiert eine überraschend wenig beachtete Strategie: gezielte Mehrfamilienhaus-Sanierung in Sekundärlagen. Historie, Renditemodelle und praktische Umsetzung werden datenbasiert durchleuchtet. Lesen Sie weiter für konkrete Zahlen, Chancen, Risiken und eine praxisnahe Schritt-für-Schritt-Strategie zur Umsetzung im Detail.

Sanierungsstrategie: Mehrfamilienhäuser in Sekundärlagen

Historischer Hintergrund und Entwicklung des Bestandsmarkts

Der deutsche Wohnungsbestand ist historisch heterogen: Während Metropolen in den vergangenen zwei Jahrzehnten starke Preissteigerungen erlebten, blieben viele Sekundärstädte und Randlagen preislich moderat. Nach dem Wiederaufbau und der sozialen Wohnbauphase dominierte lange Zeit der Bestand als Investitionsfeld. Seit den 2000er-Jahren kam es zu einer zweigeteilten Entwicklung: starke Nachfrage in A‑Lagen, stagnierende oder rückläufige Investitionen in B‑ und C‑Lagen. Gleichzeitig wuchs die Zahl älterer Bestandsbauten mit Sanierungsbedarf, insbesondere Mehrfamilienhäuser aus den 1950er–1980er-Jahren. Gutachterberichte großer Immobiliendienstleister und Statistiken nationaler Institute zeigen, dass Instandhaltungsrückstände und funktionale Veralterung in Sekundärlagen ein strukturelles Problem darstellen — zugleich aber eine Quelle für Wertschöpfung bei gezielter Modernisierung.

Warum Sekundärlagen jetzt strategisch interessant sind

Mehrere Marktkräfte machen Sanierungen in Sekundärlagen attraktiv. Erstens haben starke Preiszuwächse in A‑Lagen viele Investoren nach Alternativen suchen lassen; Sekundärlagen bieten niedrigere Einstiegspreise und damit günstigere Einstiegshürden. Zweitens sind Anfangsrenditen (Brutto-Mietrenditen) in vielen mittelgroßen Städten häufig höher als in Metropolen, was bei stabiler Vermietung zu besseren Cashflows führen kann. Drittens führen demografische Verschiebungen und eine Nachfrage nach preiswerteren, gut ausgestatteten Wohnungen in regionalen Zentren zu nachhaltiger Vermietbarkeit nach Modernisierung. Schließlich senken Marktsegmente mit geringerem Wettbewerb die Transaktionspreise und erhöhen die Verhandlungsmacht von Käufern — besonders für Investoren mit Projektmanagement-Expertise.

Finanzielle Analyse: Rendite, Finanzierung und steuerliche Rahmenbedingungen

Bei jeder Sanierung steht die Renditeberechnung im Zentrum. Relevante Kennzahlen sind Brutto- und Nettoanfangsrendite, Kapitalisierungsrate, Renovierungskosten pro Einheit, Leerstandsrisiko sowie interner Zinsfuß (IRR) über den Planungshorizont. Banken bewerten Objekte in Sekundärlagen konservativer: Loan‑to‑Value und Beleihungssätze sind oft niedriger, Zinsspreads höher. Daher ist eine belastbare Eigenkapitalquote und ein detaillierter Businessplan wichtig.

Steuerlich bleibt die lineare Abschreibung (AfA) ein Instrument zur Verbesserung der Nachsteuer-Rendite; dabei gelten unterschiedliche AfA-Sätze je nach Baujahr des Gebäudes (für nach 1924 errichtete Wohngebäude typischerweise 2 % p.a., für ältere Baujahre unter bestimmten Bedingungen höhere Sätze). Zudem ermöglichen Abschreibungen und sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen kurzfristige Liquiditätsvorteile. Gesetzliche Regelungen zur Umlage von Modernisierungskosten auf Mieter existieren und wurden national mehrfach angepasst; Investoren müssen hier die aktuelle Rechtslage beachten, da sie direkte Auswirkungen auf die Umsatzsteigerung nach Sanierung hat.

Marktstudien zeigen, dass ein korrekt kalkuliertes Sanierungsprojekt in Sekundärlagen bei konservativer Finanzierung IRR‑Ziele erreichen kann, die in A‑Lagen nur durch deutlich höhere Kaufpreise erreichbar wären. Wichtig ist die Sensitivitätsanalyse: ein Anstieg der Leerstandszeit um wenige Monate oder Kostenüberschreitungen von 10–20 % können die Rendite deutlich drücken.

Praktische Umsetzung: Due Diligence und Sanierungsmanagement

Erfolgreiche Projekte beginnen mit einer harten Due Diligence. Prüfen Sie Bausubstanz, technische Gebäudeausstattung, Mietverträge (inkl. Staffel- und Indexmieten), Mieterschutzklauseln und mögliche Altlasten. Ein konservativer Kostenpuffer und realistische Zeitpläne sind essenziell. Empfehlenswerte Schritte:

  • Technisches Gutachten durch unabhängigen Bausachverständigen.

  • Miet-, Pacht- und Lastenprüfung sowie Analyse der Mietstruktur (Sozialleistungen, Benchmarking zur lokalen Marktmiete).

  • Detaillierter Sanierungsplan mit Priorisierung: Maßnahmen, die sofort Mieterzufriedenheit und Ertrag steigern (Bäder, Küchen, Heizungsaustausch falls nötig), sollten vor kosmetischen Arbeiten stehen.

  • Phasenweise Modernisierung, um Leerstände zu minimieren: Sanierung pro Etage oder pro Wohnungsart und abgestimmte Umzugsangebote für Mieter.

  • Kooperation mit lokalen Handwerksbetrieben und einem erfahrenen Projektsteuerer zur Kostenkontrolle.

  • Finanzierungsmodell mit Cash‑Reserve für Verzögerungen und ein klar definierter Exit‑Plan (Verkauf nach Wertsteigerung vs. längerfristige Vermietung).

Kommunikation mit Mietern ist ein weiterer Schlüssel: transparente Zeitpläne, angemessene Modernisierungsankündigungen und Kompensationsangebote reduzieren Rechtsrisiken und Kündigungsraten.

Chancen, Risiken und Marktauswirkungen für Käufer, Verkäufer und Investoren

Chancen:

  • Substanzrendite durch arbitrageartige Differenz zwischen Kaufpreis und nach Sanierung erzielbarer Miete.

  • Geringerer Wettbewerbsdruck und potenziell bessere Verhandlungsspielräume beim Erwerb.

  • Diversifikation des Portfolios weg von teuren A‑Lagen.

Risiken:

  • Baukosteninflation und Lieferkettenprobleme, die Kosten erhöhen und Zeitpläne verlängern.

  • Rechtliche Komplexität bei Mieterhöhungen und Modernisierungsumlagen; lokale Mietpreisregulierungen können Uplift beschränken.

  • Demographische Risiken in schrumpfenden Regionen; erfolgreiche Sanierung erfordert Marktnähe und Risikoanalyse der Einwohnerentwicklung.

  • Finanzierungsrisiko: höhere Zinsen oder verschärfte Beleihungsbedingungen können die Economics verändern.

Auswirkungen auf Marktteilnehmer:

  • Käufer mit operativer Expertise profitieren am meisten; passive Anleger sollten Partnerschaften mit erfahrenen Asset Managern erwägen.

  • Verkäufer in Sekundärlagen können durch gezielten Exit nach Sanierung höhere Preise erzielen; ohne Sanierung bleiben Nachfrage und Angebot begrenzt.

  • Lokale Mieter profitieren von modernerem Wohnraum, gleichzeitig kann es zu Verdrängung kommen, wenn Mieten über die Zahlungsfähigkeit der bestehenden Nachfrager steigen.

Fallbeispiele, KPIs und konkrete Handlungsempfehlungen

Praxisnahe KPIs bei der Bewertung: Kaufpreis je Einheit, Renovierungskosten je m², erwartete Mieterhöhung in € und % nach Modernisierung, Break‑even‑Dauer, Cash‑on‑Cash Return im 1. Jahr nach Fertigstellung, und IRR über 5–10 Jahre. Als Faustregel sollten Investoren mehrere Szenarien modellieren: Basisszenario (Plan), Stressszenario (verzögerte Fertigstellung, 15–25 % höhere Kosten), und Opportunitätsszenario (bessere Mieterakzeptanz, schnellere Vermietung).

Konkrete Schritte für Investoren:

  1. Zielmärkte identifizieren: regionale Zentren mit stabiler Beschäftigung, Gesundheitseinrichtungen, Universitäten oder mittelständischer Industrie.

  2. Aufbau eines lokalen Expertenteams: Makler, Bauleiter, Rechtsanwalt für Mietrecht, Steuerberater.

  3. Strenge Akquisitionskriterien: maximale Kaufpreis-Multiple, Mindest-Rendite nach Sanierung, klar definierte Exit-Optionen.

  4. Finanzierung mit konservativen Annahmen und Liquiditätspuffer.

  5. Umsetzung in Phasen mit kontinuierlichem Reporting und Controlling.

Abschließend: Gezielte Sanierungen von Mehrfamilienhäusern in Sekundärlagen sind kein Allheilmittel, aber ein strategisch interessantes Feld für Investoren mit operativer Kompetenz. Wer Due Diligence, Finanzierung, Mietrechtskenntnis und ein robustes Sanierungsmanagement kombiniert, kann in weniger umkämpften Märkten überproportionale Renditen realisieren — unter der Voraussetzung, dass Risiken systematisch gesteuert und Marktchancen lokal validiert werden.